Holacracy: Heilsbringer für die Organisation der Zukunft oder gut verkauftes Rollenspiel?

Translated title of the contribution: Holacracy: Healer for the organization of the future or well-sold role playing?

Research output: Contribution to journalArticlepeer-review

Abstract

In Bereichen der Organisationsentwicklung kommt es immer wieder zu neuen Trends und Entwicklungsansätzen, die sowohl internen Entscheidungsträgern als auch externen Beratungsunternehmen ein revolutionäres Bild auf Organisation und deren notwendigen Veränderungspraxis in einer „volatilen Welt“ versprechen. Holacracy, ein Wortspiel das sich aus dem Begriff Holarchie (Holon = Ganzes, das ebenso Teil eines größeren Ganzen ist) und -kratie (griech. -kratia = Herrschaft) zusammensetzt, wurde vom Softwareentwickler Brian Robertson (2016) entwickelt und als „praktisches Betriebssystem“ (ebd., S. 9) für Organisationen beschrieben. Holacracy sieht in seiner Anwendung selbstorganisierte Kreise als organisationale Kerneinheiten, die Entscheidungslinien innerhalb der Organisation nach Sinn und Zweck der zuständigen Bereiche aufteilen und dazu ein definiertes Set an Rollen zur Verfügung stellen. Somit ist in diesem Modell von geteilter Autorität und der Verteilung von Entscheidungsmacht auf die formulierten Kreise und Rollen die Rede. Hierarchie wird nicht mehr über Personen verkörpert und über deren persönlichen Funktionsspielräume ausgelebt, sondern in Form einer „Holacracy-Verfassung“ (ebd., S. 21), die Entscheidungskreise, Rollen, Zuständigkeiten und Verantwortungen beschreibt, auslagert und in teils rigider Form systematisiert. Das Handbuch ist Spielanleitung und bildet das Regelwerk für den „Upload“ des Systems und die Übertragung auf bestehende Organisationen. Mit der (überspitzen) Annahme, „halten Sie sich an die von uns entwickelte Verfassung (an das Betriebssystem), dann eröffnen sich Ihrer Organisation neue Möglichkeiten der Selbstorganisation sowie effizientere Formen der Entscheidungsfindung“, verspricht Holacracy ein ausgeklügeltes System des Organisierens – abseits von personenzentrierten Managementfunktionen oder Alleinherrscherphantasien in den oberen Führungsetagen.

Doch ist es wirklich so einfach? Lässt sich Hierarchie – als notwendiges Mittel für Organisation und Entscheidung – von Menschen, die sie repräsentieren, abkapseln und auf Subkreise verteilen? Und sind Organisationskreise folglich nicht auch wieder Gruppierungen in denen Rang und Autorität, Macht und Vertrauen, Widerspruch und Konflikt, zentralen, wenn auch nicht auf organisational sachlicher Ebene (weil diese ja durch die Verfassung geregelt wäre) aber zumindest auf soziodynamischer und zwischenmenschlicher Ebene, Einfluss auf das gemeinsame Entscheiden und die Entwicklung der Organisation nehmen?
Translated title of the contributionHolacracy: Healer for the organization of the future or well-sold role playing?
Original languageGerman
Pages (from-to)155-158
Number of pages4
JournalGruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift fur Angewandte Organisationspsychologie
Volume48
Issue number2
DOIs
Publication statusPublished - 2017

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